J. M. Blázquez: España Romana. Madrid 1996.

J. M. Blázquez, J. Alvar (Hrsg.): La Romanización en Occidente. Madrid 1996.

Die antike Kultur der Iberischen Halbinsel wurde in den letzten Jahren durch eine Reihe von Publikationen auch einem weiteren Leserkreis erschlossen. Genannt seien die bisher erschienenen Bände des großen Werkes „Hispania antiqua", betreut durch die Madrider Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (Mainz 1978 ff.), der Archäologische Wegweiser durch Portugal (hrsg. von Th. G. Schattner, Mainz 1998), die Bildbände von H. Schomann (Kunstdenkmäler der Iberischen Halbinsel, 3 Bde., Darmstadt 1996 ff.) mit zahlreichen Hinweisen auf antike Denkmäler sowie der auch die westgotische Zeit umfassende Band über Spanien im Hirmer-Verlag (München 1991). In diesem Kontext dürfte es angebracht sein, zwei materialreiche Publikationen der spanischen Altertumswissenschaft vorzustellen, die auf vielfältige Weise die genannten deutschen Publikationen ergänzen und vertiefen können.

„España Romana" von J. M. Blázquez vereinigt 26 Beiträge des spanischen Althistorikers, deren Thematik chronologisch geordnet ist. So ergänzt der Band die große Darstellung des gleichen Autors (Historia de Antigua España, Madrid 1986 ff.) auf das vorzüglichste. Die ersten elf Artikel sind dem Thema „Spanien in der Zeit der Republik" gewidmet. Der erste Beitrag, „Los ilergetes en el cuadro de los restantes pueblos iberos durante la segunda guerra punica", bespricht die Rolle des Pyrenäenstammes der Ilergetes, der um 900 über die Pyrenäen nach Katalonien eindrang, und seiner Könige Indibil und Mandonio im 2. Punischen Krieg, zuerst als Verbündete der Punier, dann als ihre Gegner. Im Anschluß an die Forschungen von Tovar sieht B. die Ilergetes als einen indogermanischen Stamm mit baskisch-iberischen Elementen (14) an. Die Rolle der an Schluß gegen die Römer rebellierenden Stammeskönige vergleicht B. mit der eines Vercingetorix, betont aber gleichzeitig doch den erheblichen Unterschied: eine große Aufstandsbewegung und Vereinigung der iberischen Völker wurde wohl nicht angestrebt. Nachdem der Widerstand gegen Rom gescheitert war, blieb dem Stamm vermutlich sein Königtum erhalten. Der zweite Beitrag legt die vorkaiserzeitlichen literarischen Quellen über Castulo vor. Aufgrund der Silbervorkommen am oberen Baetis (Guadalquivir) war diese Stadt schon in vorrömischer Zeit bedeutend. An der Grenze zwischen der Provincia Ulterior und der Baetica gelegen, bildete sie dann in römischer Zeit einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Besonders wertvoll ist der Beitrag durch seine reiche Zusammenstellung auch der archäologischen Publikationen über Castulo. Dem römischen Minenwesen gelten die drei folgenden Artikel. Behandelt ist zuerst die römische Kupfermine von La Loba (Provinz Córdoba) in der Sierra Morena in republikanischer Zeit. An ihrer Geschichte können in idealer Weise die Umstände der römischen Eroberung der Iberischen Halbinsel studiert werden. Die archäologischen Befunde, die wenigen Texte und die ökonomischen Faktoren wirken zu diesem Bild zusammen. So ergibt sich der Nachweis über die Ausbeutung der Minerallager der Sierra Morena seit prähistorischer Zeit (Ansiedlung aus der Mittleren Bonzezeit, vorrömische Keramik). Bemerkenswert sind die noch erhaltenen Reste der Minenanlage und der damit verbundenen Wohnhäuser und Hallen. Hinsichtlich der politisch-ökonomischen Funktion der Minen, ihrer Betreiber und des Verhältnisses zur römischen Besatzungsmacht sind die Schlüsse interessant, die B. in Hinblick auf den Aufstand des Sertorius zieht. Dieser konnte offensichtlich auf die Resourcen dieses Gebietes zurückgreifen, die ihm seine Siege über römische Legionen ermöglichten. Die Minen bedeuteten den ökonomischen Rückhalt für diese Bevölkerung. In allgemeinere Überlegungen führt der Beitrag über die Ausbeutung der Minen und die Romanisierung Spaniens. B. zeigt, wie der Romanisierungsprozeß Spaniens eng mit der Ausbeutung der Minen verbunden war. Zu diesem Zweck kamen zahlreich Italiker nach Spanien. B. hat schon in früheren Arbeiten dargestellt, wie die einzelnen militärischen Unternehmungen der Römer in Spanien eng mit der Kontrolle über die Minen zusammenhingen. Was die Bergbautechnik betrifft, so vertritt B. die These, daß die Römer selbst noch keine Erfahrung im Bergbau hatten, als ihnen die reichen Minen von Carthago Nova (Cartagena) in die Hände fielen, die reichsten der antiken Welt. Sie übernahmen daher nach B. die karthagische Technik, die aus dem ptolemäischen Ägypten stammte. Dem gegenüber steht die von anderen Gelehrten vertretene Auffassung, daß erst die Römer die Technik der Minenausbeutung einführten. Eng verknüpft ist damit auch die Frage nach dem Status der Verpachtung. B. führt aufgrund der Untersuchung der Barrenstempel von Carthago Nova im 1. vor- und nachchristlichen Jh. den Nachweis, daß bis zum Ende der Republik die Minen Staatseigentum waren und nicht von den großen societates publicanorum ausgebeutet wurden, sondern von italischen Pächtern, die so zu einem bedeutenden Faktor der Romanisierung des Ostens und Südens Spaniens wurden. Ihre Herkunft läßt sich z. T. aufgrund der Namensformen ermitteln. Somit besteht auch ein grundlegender Unterschied zur Minenausbeutung des Nordwestens seit der Zeit des Augustus, die direkt durch die kaiserliche Verwaltung mit freien Einheimischen betrieben wurde. Das hatte auch Folgen für die Romanisierung dieses Gebietes, die entsprechend weniger intensiv war. Die Entwicklung der Minenverwaltung in römischer Zeit wird im anschließenden Beitrag besprochen. Er gibt, in teilweiser Wiederholung der in den vorhergehenden Artikeln vorgelegten Fakten, soweit sie die republikanische Zeit betreffen, einen guten Überblick über die Gesamtthematik bis zum Ende der Kaiserzeit (Besitzverhältnisse, Umfang der Erträge, Funktion der Prokuratoren und ihrer Untergebenen, Vergleich mit den anderen Minenregionen des Reiches, wo die gleichen administrativen Verhältnisse herrschten). „El estado de Burebista y los pueblos de la península Ibérica en época helenística" greift die Frage nach der Vergleichbarkeit zwischen dem Thrakischen Königreich und der Rolle der verschiedenen iberischen Stammesführern auf, wie sie sich in den antiken Quellen darstellt. Es handelt sich um den Zeitraum von der Landung der beiden Scipionen bei Ampurias 218 bis zur endgültigen Eroberung Kantabriens 19 v. Chr. Während Burebista in seiner vierzigjährigen Regierungszeit die Vereinigung der dakisch-getischen Stämme beiderseits der Donau, der Sieg über Boier, Taurisker und Kelten sowie die Eroberung griechischer Städte (z.B. Olbia) gelang und die stammesmäßigen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in beiden Gebieten vergleichbar waren, zeigte sich in Spanen eine andere Entwicklung. Das von den Barkiden südlich des Ebro geschaffene einheitliche karthagische Gebiet hinterließ bei den einheimischen Stämmen keine Spuren, so daß die Zeit der römischen Eroberung von internen Auseinandersetzungen geprägt war, was für die römischen Ziele nur förderlich sein konnte. Diese internen Kämpfe sah schon Strabon im dritten Buch seiner Geographie (3, 4, 5) als charakteristisch für die iberischen Stämme an. Obwohl die Iberer zahlreiche bedeutende Stammesführer aufwiesen (die Nachrichten über sie werden kurz erwähnt, die Geschichte der Stammeskriege sowie der Widerstandsbewegungen gegen Rom werden im Überblick geboten), fehlte doch eine Persönlichkeit wie Burebista, der die verschiedenen Stämme zu einem Reich hätte vereinigen können. Viriatus hatte zwar das militärische, nicht aber das politische Format; am ehesten ist noch der Römer Sertorius vergleichbar. Insofern verlaufen die Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel und im Balkan völlig verschieden. Der Beitrag „Las alianzas en la península Ibérica y su repercusión en la progresiva conquista romana" bespricht in seinem ersten Teil die römischen Allianzen vor und während des zweiten Punischen Krieges, beginnend mit den ersten Ebro-Verträgen, in denen nicht so sehr römische wie massiliotische Interessen gesichert werden sollten. Das Eingreifen Roms auf der Iberischen Halbinsel im zweiten Punischen Krieg wird allein mit den strategischen Absichten begründet, Karthago von seinen Resourcen abzuschneiden. Im zweiten Teil des Beitrags werden die Allianzen in den Kriegen gegen die Lusitanier, Keltiberer, Asturer und Kantabrer behandelt.

Die v. a. mit spanischer Sekundärliteratur gut dokumentierte Darstellung über die Romanisierung des Nordwestens der Iberischen Halbinsel (Kapitel 8) zeigt aufgrund der literarischen, inschriftlichen und archäologischen Quellen deutlich den Unterschied im Vergleich zum Romanisierungsprozeß der übrigen Halbinsel, der sich nicht so sehr im Fehlen größerer Städte als in dem von Munizipien und Kolonien darstellt. So konnten auch einheimische soziale und religiöse Strukturen stärker überleben. Der erste Teil der Aufsatzsammlung schließt mit einer Untersuchung über den nicht unbeträchtlichen Anteil der Etrusker in den römischen Heeren und den Kolonien in Spanien.

Die Darstellung Spaniens während der Kaiserzeit beginnt mit einer Zusammenstellung der literarischen Quellen, die auf die Pyrenäen sowie die ihnen nördlich und südlich vorgelagerten Gebiete Bezug haben. Von besonderen Interesse sind dabei die Aktionen Caesars im oberen Llobregat während des Bürgerkrieges im Vorfeld der Schlacht von Ilerda, der dann auch das vierte Buch des Bürgerkriegsepos des Lukan gewidmet ist. Für Wirtschaftsgeschichte, antike Nautik und antike Geographie in gleicher Weise von Interesse ist der Beitrag über die Kanarischen Inseln in der Antike, beginnend mit den bei Diodor erhaltenen Nachrichten über mögliche Fahrten der Phöniker und Karthager. Archäologische Zeugnisse für einen Aufenthalt dieser Völker auf den Kanaren fehlen, im Gegensatz zu Münfunden auf den Azoren. Mela und Plinius berichten über die Insulae Fortunatae und Amphorenfunde bestätigen die Handelsverbindungen mit Spanien im 3. und 4. Jh. Eine zusammenfassende und gut dokumentierte Darstellung über die Baetica in julisch-claudischer Zeit bietet das 12. Kapitel, ausgehend von der Beschreibung Strabons (3, 2, 1 ff.), die in spanischer Übersetzung (von García y Bellido) mit zahlreichen Hinweisen auf Sekundärliteratur geboten wird. Wichtig sind auch die Informationen, die der ältere Plinius gibt; war er doch selbst Prokurator der Provincia Tarraconensis und konnte somit auch über die Nachbarprovinz exakte Zahlen mitteilen. Nicht zuletzt daraus ergibt sich, daß die Baetica in der frühen Kaiserzeit eine der am stärksten romanisierten Provinzen war. Das wird auch durch die archäologischen Funde bestätigt, die wieder im Zusammenhang mit der Wirtschaftsgeschichte von Cádiz, Baelo (mit bedeutenden antiken Resten) und Castulo besprochen werden. Einem Schnittpunkt von Wirtschaftsgeschichte und Archäologie ist der Beitrag „El comercio de obras de arte en la Hispania romana" gewidmet. Dem reich bezeugten Kunsthandel (und Kunstraub) von Griechenland nach Italien stehen zunächst nur wenige Zeugnisse über griechische Importe vor allem der Kleinkunst nach Spanien gegenüber. Aus Italien wird besonders Keramik importiert; dazu kommen einzelne römische Kopien griechischer Originale, in der späteren Kaiserzeit auch pagane und christliche Sarkophage. Das bedeutendste spätantike Importstück ist das sog. Missorium des Theodosius, 388 in kaiserlichen Werkstätten in Konstantinopel oder Thessalonike gefertigt, das heute in der Real Academia de la Historia in Madrid aufbewahrt wird. Wirtschaftgeschichtliche Themen behandeln die Beiträge über die Latifundien in der Baetica (14), über den Ölexport in der Kaiserzeit (15) sowie allgemein über Ölproduktion und Handel in der Antike (16) und über die spanischen Ausgrabungen am Monte Testaccio in Rom (17-19). Diese Gruppe der Beiträge wird abgeschlossen durch einen Forschungsbericht „Últimos trabajos sobre la exportación de aceite bético a Roma y al ejército". Daran schließt sich ein kurzen Beitrag über spanische Spender-Inschriften (El evergetismo en la Hispania romana).

Der dritte Teil der Sammlung ist Spanien in der Spätantike gewidmet. „Características de la sociedad hispana del Bajo Imperio" beschreibt die Situation der Verwaltung in der Zeit nach der Reichskrise des 3. Jh., gibt einen Überblick über die bis jetzt bekannten villae (wobei einige ausgewählte näher besprochen werden), zeigt die Beziehungen der spanischen Aristokratie zur italischen auf sowie allgemein die Verbindungen zu Italien (die jetzt auch die entstehende Kirche betreffen), zum Orient (die sich besonders in der bildenden Kunst nachweisen lassen), sowie zu Nordafrika (dazu ein Forschungsbericht Kap. 25). Abgeschlossen wird der Beitrag mit einem Überblick über die Romanisierung der Völker Nordspaniens und die Einführung des Christentums. Die angesprochenen Themen werden in dem folgenden Beitrag vertieft: „Las élites de la Hispania romana en el Bajo Imperio" (23). Abgeschlossen wird der Band mit einem Artikel über die spanischen Bronzekünstler. Bedauerlich ist, daß der Neudruck der gehaltvollen Publikationen nicht durch Indices erschlossen wird.

Vorbildlich erschlossen durch einen umfangreichen Indexteil (319-450) ist dagegen der zweite hier anzuzeigende Sammelband über die Romanisierung im Westen. Grundsätzliche Probleme dieses historischen Vorgangs sprechen einleitend die Beiträge von K. Hopkins (La Romanización: asimilación, cambio y resistencia) und F. J. Lomas (Civilización y barbarie: A vueltas con la romanización) an. Die zwei der Romanisierung Italiens gewidmeten Artikel gelten Umbrien (F. Coarelli) und Lukanien (M. Torelli). Die restlichen Beiträge beschäftigen sich mit der Iberischen Halbinsel. J. M. Roldán behandelt die Rolle des Heeres bei der Romanisierung, J. J. Sayas bespricht die Situation der nordspanischen Völkerschaften der Galäker, Asturer, Cantabrier und Vasconen unter römischer Herrschaft, S. J. Keay die Romanisierung des Südens und Ostens der Halbinsel in republikanischer Zeit. J. M. Blázquez beschäftigt sich wiederum mit der Bedeutung, die die spanischen Minen für die Romanisierung hatten, D. Plácido bespricht „Formas de dependencia en Hispania". F. Marco geht bei der Untersuchung über „Integración, interpretatio y resistencia religiosa en el occidente des Imperio" zwar von spanischen Beispielen aus, verweist aber immer wieder auf vergleichbare Erscheinungen in den anderen westlichen Provinzen. Der Beitrag von J. Alvar, „Religiosidad y religiones en Hispania" beschäftigt sich vorwiegend mit den religiösen Formen der vorrömischen Bevölkerung. Besonderen Aspekten sind die Beiträge von J. Mangas (El culto de Hércules en la Bética) und von S. Montero und S. Perea über Augustus und das Bidental von Bracara (zu CIL II 2421) gewidmet. Alle Beiträge auch dieses Bandes sind sorgfältig dokumentiert und erschließen somit vielfältige Zugänge zur Altertumsforschung über die Iberische Halbinsel.

Der Beitrag Spaniens zur lateinischen Literatur ist bekannt: Von den beiden Seneca über Lucan, Columella, Martial bis hin zu Prudentius und Isidor von Sevilla hat das Land einen maßgeblichen Beitrag zur lateinischen Literatur geleistet. In der frühen Kaiserzeit war Rom der eigentliche Wirkungskreis dieser Autoren, der Süden Spaniens aber ihre gemeinsame Herkunft. In der Spätantike und besonders unter den Westgoten wird dieses Land dann zu einer eigenständigen Literaturlandschaft mit einer großen Tradition. Wer die Bedingungen dieser Literatur verstehen will, sollte nicht zuletzt Geschichte und materielle Kultur der Hispania Romana studieren. Dazu bieten die angezeigten Werke die besten Voraussetzungen.