F. L. Müller: Eutropii breviarium ab urbe condita - Eutropius, Kurze Geschichte Roms seit Gründung (753 v. Chr. - 364 n. Chr.). Einleitung, Text und Übersetzung, Anmerkungen, Index nominum a) geographicorum b) historicorum. Stuttgart (Franz Steiner) 1995. Palingenesia, Monographien und Texte zu klassischen Altertumswissenschaft 56. 336 S. DM 138.-.

 

Diese Arbeit über den ersten bedeutenderen Historiker der lateinischen Spätantike hat sich zum Ziel gesetzt, den Autor "aus seinem Dasein als Randfigur der wissenschaftlichen Bemühung zu befreien" und einem größeren Leserkreis nahezubringen (Vorbemerkung). Müller (im folgenden "M.") denkt dabei auch an eine Eutrop-Lektüre in der Schule (vgl. auch S. 13), wie sie vor Jahren schon von E. Oberg und E. Walter vorgeschlagen wurde, aber offensichtlich mit geringem Erfolg. Denn grundsätzlich bleibt die Frage, ob ein Text, dessen Hauptinhalt "Kriegerisches jeder Art und Ausprägung" (5) darstellt, etwa eine Alternative zu Caesar zu bieten vermag. Zwar kann der einfache, jede größere Periode vermeidende Stil für eine Anfangslektüre sprechen, die Fülle der Namen, Fakten und Begriffe dürfte dagegen den Anfänger bald überfordern.

 Die Einleitung (1-21) informiert über Autor, Werk und die reiche Überlieferung (beschrieben nach der Ausgabe von Santini, Leipzig 1979). Manche Formulierungen darin sind unpräzis, um nicht zu sagen journalistisch. So wird man kaum zustimmen, daß Valens "plötzlich an der Spitze des bereits mehr als 1000-jährigen Reiches stand" (3), wobei weder bedacht ist, daß er von 364 bis 375 bereits Augustus für den Osten einschließlich Ägypten war noch daß man um 365 von einem 1000-jährigen Reich sprechen konnte, nachdem Sizilien als erste römische Kolonie nach 241 eingerichtet wurd. Problematisch sind z.B. auch die Aussagen über Sueton (9 Anm. 35), der nicht nur "in gewissen Grenzen auch als Historiker betrachtet werden darf, wenngleich er es nicht primär ist und und wohl auch nicht sein wollte", sondern dessen Caesares vorbildlich für die Darstellung von Kaisergeschichte wurden. M. verweist 9f. selbst auf die Enmannsche Kaisergeschichte (allerdings nur durch Hinweise auf Literatur des vorigen Jahrhunderts; HLL 536 wird nicht erwähnt, obwohl das Handbuch bereits 1989 erschien, die Nichtberücksichtigung von HLL 538. Eutropius [P.L. Schmidt] ist überhaupt ein gravierender Mangel der Einleitung) und spricht mit Recht von "der beinahe kanonischen oder klassischen Bedeutung dieses Autors" (10). Der Einfluß Suetons bzw. der Historiographie als Biographie zeigt sich aber schon im Widmungssatz des Eutrop (additis etiam his, quae in principum vita egregia extiterunt), wozu sich leider nichts in den Anmerkungen findet. Auch weiterhin ist der formale wie inhaltliche Einfluß Suetons beachtlich, denn während sich die Bücher 1 bis 6 an der annalistischen Form der Historiographie orientieren, beherrscht die Bücher 7 bis 10 das Schema der Biographie (vgl. Ratti [s.u.], 69). In Hinblick auf die Rezeption des Eutrop wird die Historia Augusta (12) als "etwa noch als zeitgenössisch (oder nicht allzu viel später)" datiert, dieser Ansatz hingegen später (13) modifiziert, wobei allerdings die heute allgemein angenommene Abhängigkeit von Eutrop nur mit Vorbehalt ausgesprochen wird. Insgesamt ist die Behandlung der Quellenfrage eher als oberflächlich zu bezeichnen, wenngleich die Annahme einer einzigen Hauptquelle sicher zutreffend sein dürfte (11).

 Auf die Einleitung folgen synoptisch Text und Übersetzung. Der Text, mit kritischem Apparat, hält sich eklektisch an die maßgeblichen Ausgaben, stützt sich also auf keine eigenen handschriftlichen Untersuchungen. Die Textgestaltung selbst entspricht nicht den Konventionen (etwa der Oxonienses oder Teubnerianae): Zeilenzählung fehlt, auf den kritischen Apparat wird dafür mit Hochzahlen verwiesen, was das Textbild nicht unerheblich stört.Ungewöhnlich auch Markierungen wie S. 104 #et Neroni familiaris# . Begründungen für textkritische Entscheidungen sind in den Anmerkungen selten; ein Verweis im Apparat wäre oft hilfreich (z.B. bei 7,17,1). Die Übersetzung ist im allgemeinen angemessen. Als problematisch sei etwa in der Widmung notiert: mansuetudinis tuae "deiner Gnade" statt "Euer Gnaden" (dagegen S. 3 "nach dem Willen Eurer Gnaden"); im gleichen Zusammenhang tranquillitas "Erhabenheit"; die Anmerkung dazu ist wenig förderlich, denn die Ergebnisse der Untersuchungen von Gonçalves hätten wenigstens referiert werden sollen; die Stelle bespricht jetzt Ratti (s.u., 96 Anm. 15 und 268). Überhaupt bewegen sich die Anmerkungen selbst nicht selten auf dem Niveau eines Schülerkommentars: Zu den zahlreichen Eigennamen wird auf den Kleinen Pauly verwiesen, für Geographisches auf Westermanns Atlas zur Weltgeschichte. So stellt dieser Kommentar ganz überwiegend historische Realienerklärung, und das nicht selten in schlichter Verweisform (z.B. S. 229) zur Verfügung, ohne daß damit ein besonderer wissenschaftlicher Fortschritt verbunden wäre.



Erschienen in der Zeitschrift "Gymnasium" 105, 1998, 154-155

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