C. E. V. Nixon, B. S. Rodgers: In Praise of Later Roman Emperors. The Panegyrici Latini. Introduction, Translation, and Historical Commentary with the Latin Text of R. A. B. Mynors. Berkeley, Los Angeles, Oxford (University of California Press) 1994. Transformation of the Classical Heritage: XXI. 733 S. 1 Karte.

Seitdem man erkannt hat, daß spätantike Panegyrik nicht so sehr übertreibendes, aber im Grunde inhaltsleeres Herrscherlob darstellt, sondern daß mit diesem Mittel des Hofzeremoniells der Redner durchaus politische Anliegen vortragen und besondere Akzente setzen konnte, sind die Panegyrici vor allem als historische Quelle neu bewertet worden. Auch die Sprache dieser Texte sieht man heute als Ausdruck "einer erlesenen, traditionsgesättigten und reifen Latinität" (Schetter). Die Panegyrici Latini haben in den letzten Jahren, gerade von althistorischer Seite, besondere Aufmerksamkeit erfahren. Nachdem R. A. B. Mynors (Oxford 1964) eine vorzügliche Textausgabe vorgelegt hatte, folgten eine Reihe von Untersuchungen, teils in Form von Kommentaren zu einzelnen Panegyrici, teils als Monographien zu einzelnen Themen. Nicht nur eine Zusammenfassung des bisher Geleisteten, sondern insgesamt einen merklichen Fortschritt stellt nun der vorliegende Gesamtkommentar dar, der sich allerdings ausdrücklich als historischer versteht.

 Die "General Introduction" beginnt mit einem äußerst knappen Überblick über die Geschichte der Gattung. Die Bedeutung des Panegyricus des Plinius als Muster der Sammlung und damit gleichsam als Archetypus der spätantiken Prosapanegyrik wird dabei allerdings nicht recht ersichtlich, wenn seine Erhaltung zunächst nur einer zufälligen Überlieferung zugesprochen wird (3); S. 7 wird dagegen seine Wertschätzung in der Spätantike richtig dargestellt. An diese Übersicht schließt sich eine Beschreibung der Sammlung des "Gallischen Corpus" der 12 Panegyrici an, das 1433 Johannes Aurispa in Mainz entdeckte. Dabei werden die verschiedenen Theorien für die Entstehung der Sammlung kurz rekapituliert; Pacatus als der Autor der jüngsten Rede von 389 wird auch als Herausgeber der ganzen Sammlung vermutet (6f.), die wohl mit Recht als ein Produkt der gallischen Rhetorenschule angesehen wird: Es sind exemplarische Vorlagen für Studenten der Rhetorik, ohne weitere politische oder historische Absicht. Ein kurzer Überblick über die Bedeutung des gallischen Schul- und Bildungswesens mit der besonderen Rolle von Bordeaux (man denke nur an die Commemoratio professorum Burdigalensium des Ausonius) ist mit diesem Abschnitt verknüpft. Anschließend wird die Autorschaft der anonym überlieferten Reden diskutiert; diese Frage bleibt weiterhin offen. Ein eigenes Kapitel ist dem Verhältnis der Panegyrici zu den rhetorischen Handbüchern, besonders zu dem des Rhetors Menander, gewidmet, wobei die Abhängigkeit gerade von diesem Handbuch unbewiesen bleibt. Obwohl der Kommentar ausdrücklich als historischer bezeichnet wird, fehlt dennoch nicht ein zusammenfassendes Kapitel über Sprache und literarischen Charakter der Texte, in dem vor allem die Neologismen verzeichnet und die literarischen Anspielungen und Abhängigkeiten aufgelistet sind, wobei die Sicherheit, mit der in der früheren Forschung derartige Abhängigkeiten konstatiert wurden, in Zweifel gezogen werden darf. Daran schließen sich Beobachtungen zum Prosarhythmus mit Aufweis des Cursus mixtus, der Elemente des metrischen Akzentes wie auch des Wortakzents enthält. Dieser sprachliche Abschnitt stützt sich im wesentlichen auf schon ältere Arbeiten; die Syntax von Szantyr hätte auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen, sie fehlt auch im Literaturverzeichnis.

 Der Abschnitt über "Commonplaces and Exempla" skizziert kurz das in den Panegyrici entwickelte Herrscherideal; das ist vertretbar, weil doch zu diesem Thema eine ganze Reihe von Untersuchungen vorliegt. Umfassender ist das Kapitel "The Function of Panegyric and the Relationship of the Authors to the Court". Es erörtert, besonders in Auseinandersetzung mit der wichtigen Arbeit von Sabine G. MacCormack, Art and Ceremony in Late Antiquity (Berkeley 1981), die Frage, inwieweit der Panegyriker im Auftrag des Hofes als Propagandist der offiziellen Politik tätig wird. Entgegen der wiederholt vermuteten Abhängigkeit der Redner von Aufträgen des Hofes kommen die Verf. zu dem Ergebnis, daß die Panegyrik zunächst einmal ein Produkt der gallischen Schule ist. Dennoch sind, wie anschließend ausgeführt wird, die Aussagen auch von hohem historischem Wert als Momentaufnahmen, in denen zwar manches nur angedeutet wird, die aber über regionale Ereignisse hinaus auch den Blick auf das Ganze des Imperiums richten. Ein kurzer Abschnitt über die handschriftliche Tradition beschließt die Einleitung.

 Die Übersetzung selbst ist die erste ins Englische. Sie bemüht sich, die lateinische Satzstruktur und den rhetorischen Stil nachzubilden, ohne an Klarheit zu verlieren. Die Reden sind in der chronologischen Reihenfolge angeordnet. Jeder Rede geht eine ausführliche Einleitung voraus, die sich mit dem Autor (soweit bekannt), dem Anlaß, der historischen Bedeutung und dem angesprochenen Herrscher befaßt. Besonders förderlich, weil die Ergebnisse klar zusammenfassend, ist S. 44 - 51 die Diskussion über das Verhältnis von Diokletian und Maximian und das Entstehen der Tetrarchie, S. 188 - 190 über die Abdankung Diokletians und Maximians, S. 256 - 263 zum Steuerwesen. Der Kommentar selbst wird in Form von Anmerkungen zur englischen Übersetzung geboten. Ein Schwerpunkt der Kommentierung sind die zahlreichen chronologischen Probleme, nicht nur der jeweiligen Abfassung, sondern auch der erwähnten Fakten. Gelegentlich weiten sich auch die Anmerkungen zu kompakten monographischen Ausführungen, so S. 61, 23 über das Vordringen germanischer Stämme auf das Gebiet des Imperiums; S. 116, 17 zu den Carpi (zu beiden Themen auch S. 124, 35); S. 127, 39 der Beginn des Aufstands des Carausius; S. 142, 76 zu den Laeti; S. 283, 53 zum Steuerwesen; S. 323, 119 über Konstantins Verzicht auf den Gang zum Kapitol; S. 473, 67 über die Gothenkriege des Theodosius, um nur einige zu nennen. An Übersetzung und Kommentar schließ sich der Text nach Mynors, in der Reihenfolge der Überlieferung, mit kritischem Apparat, an. Ein Literaturverzeichnis und ein ausführliches Namen- und Stellenregister beschließen dieses für die künftige Arbeit an den Panegyrici Latini unentbehrliche Werk. Es bleibt zu hoffen, daß ihm bald ein philologisch-kritischer Kommentar zur Seite treten möge.

 



Erschienen in der Zeitschrift "Gymnasium" 105, 1998, 157-158

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